Die Debatte um die Palantir-Software „Gotham“ bei der nordrhein-westfälischen Polizei ist mehr als eine technische Frage. Hier geht es um Werte, die für unsere Demokratie grundlegend sind. Als liberale Partei stehen wir unmissverständlich auf der Seite der Freiheit: Grundrechte sind nicht verhandelbar, auch nicht für noch so verlockende Sicherheitsversprechen.
Das falsche Versprechen der totalen Sicherheit
Innenminister Herbert Reul (CDU) preist die Software als Erfolgsgeschichte: aufgeklärte Amokdrohungen, verhinderte Geldautomatensprengungen, Einbruchsprognosen. Doch hinter diesen Einzelfällen verbirgt sich ein fundamentaler Angriff auf unsere Verfassung. Wie die Expertin Franziska Görlitz von der Gesellschaft für Freiheitsrechte warnt, können „auch Daten völlig unbeteiligter Personen, wie zum Beispiel Opfer einer Straftat oder anzeigeerstattende Personen, in die Analyse geraten“.
Das ist kein Kollateralschaden – das ist das System. Palantir verwandelt jeden Bürger in einen potenziellen Verdächtigen, jede Datenbank in einen Baustein des Überwachungsstaats. Als Liberale fragen wir: In welchem Verhältnis steht dieser Freiheitsverlust zu einem zweifelhaften Sicherheitsgewinn?
Die selbe Frage stellt sich für den weiteren Verlust an Vertrauen in die Arbeit der Polizei, wenn ihre Methoden und Entscheidungen mehr und mehr unnachvollziehbar werden. Ohne dieses Vertrauen ist der Frieden innerhalb einer liberalen Gesellschaft in Gefahr.
Verfassungsbruch mit Ansage
Das Bundesverfassungsgericht erklärte bereits im Februar 2023 Gesetze, die ähnliche Systeme in Hessen und Hamburg einführen sollten, für verfassungswidrig. Die Karlsruher Richter sahen in den „spezifischen Belastungseffekten“, die automatisierte Datenanalysen mit sich brächten, einen Grundrechtseingriff der weit über die einfache Erhebung der Daten hinausgehe.
Trotzdem macht NRW stur weiter. 39 Millionen Euro haben wir bereits für dieses verfassungsrechtlich fragwürdige System ausgegeben. Eine neue Verfassungsbeschwerde liegt vor – doch anstatt innezuhalten, plant die Landesregierung bereits die Vertragsverlängerung. Das ist Missachtung des Rechtsstaats auf Raten.
Die Sachverständigen sind sich einig: „Es fehlen Vorschriften zum Schutz vor diskriminierenden Algorithmen“ und „die Voraussetzungen, unter denen die Analysen stattfinden dürfen, sind zu gering“. Jonas Botta vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bringt es auf den Punkt: Das System verstößt „gegen das Grundgesetz – insbesondere gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“.
Die Landesregierung behauptet, alles sei unter Kontrolle. Doch welche Kontrolle kann es geben, wenn die Analysemethoden intransparent bleiben und selbst die Testberichte des Fraunhofer-Instituts geheim sind? Das ist nicht Transparenz, das ist Verschleierung.
Digitale Souveränität wird in einem kritischen Bereich zur Nebensache
Auch die Abhängigkeit unseres Landes von einem US-Unternehmen mit Trump-Verbindungen ist problematisch, gerade in einem derart sensiblen Bereich. Peter Thiels Palantir wird in den USA bereits zur „Deportation missliebiger Personen“ eingesetzt – ein Vorgeschmack auf das, was auch hier drohen könnte. Deshalb müssen grundrechtskonforme Europäische Alternativen energisch gefördert werden, bevor derartige Software hierzulande zum Einsatz kommt.
Liberale Klarstellung: Freiheit ist nicht verhandelbar
Als liberale Partei haben wir eine klare Position: Der Staat existiert für die Bürger, nicht umgekehrt. Sicherheit ist wichtig, aber sie darf niemals das Fundament unserer Demokratie – die Grundrechte – untergraben.
Daraus ergeben sich für uns folgende Forderungen an die Landesregierung:
Erstens: Sofortiger Stopp der Palantir-Nutzung bis zur abschließenden verfassungsrechtlichen Klärung. Keine weiteren Millionen für ein System, das möglicherweise verfassungswidrig ist.
Zweitens: Vollständige Transparenz über alle bisherigen Analysevorgänge. Bürger haben das Recht zu wissen, ob und wie ihre Daten verarbeitet wurden.
Drittens: Strenge gesetzliche Schranken für jede Form automatisierter Datenanalyse. Nur bei schwersten Straftaten, nur mit richterlicher Genehmigung, nur mit zeitlicher Begrenzung.
Benjamin Franklin warnte bereits: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“ Die Experten sprechen bereits von „Predictive Policing“ – Vorhersagen und Wahrscheinlichkeiten für zukünftige Ereignisse. Das ist der Weg in die Vorkriminalität, in eine Gesellschaft, in der Menschen für Taten bestraft werden, die sie noch gar nicht begangen haben.
Wir Liberale Demokraten stehen dagegen. Wir glauben an eine Gesellschaft freier Bürger, nicht überwachter Untertanen. Wir glauben an Rechtsstaat statt Präventionsstaat, an Unschuldsvermutung statt Generalverdacht.